27. Mai 2010
noch sitze ich vor meinem PC in Steyr, aber der Koffer für die Reise nach Ürkmez ist bereits gepackt. Nachdem ich im April das AKSIT KÜLTÜR Denk- und Literaturhaus kennen gelernt hatte, war ich davon so begeistert, dass ich beschloss, die Familie AKSIT in ihren Bemühungen um die große Bibliothek mit deutschsprachiger Literatur in Ürkmez zu unterstützen. Ich bat meine Freundinnen und Freunde, die sich in irgendeiner Form mit Literatur beschäftigen, um Buchspenden. Die Resonanz war großartig und so fliege ich übermorgen mit etwa 15 kg “Literatur” im Koffer in dieTürkei, um sie dort im Namen der SpenderInnen zu übergeben. Zuerst wollte ich die Bücher in einem Paket nach Ürkmez senden, das hätte über 165 Euro gekostet. Ich informierte mich daraufhin über Billigflüge nach Izmir und ich bekam die überraschende Information, dass der Flug nach Izmir hin und zurück, inklusive 20 kg Freigepäck, nur 145 Euro kostet. Da entschloss ich mich, die Bücher persönlich zu übergeben und bei dieser Gelegenheit einen Kurzurlaub in der Türkei zu machen.
30. Mai 2010
es ist 19:10 und ich sitze wieder im Internetkaffee in Ürkmez. Heute am Vormittag übergab ich die gespendeten Bücher an Vater Aksit und seinen Sohn Hakan. Ich hatte den Eindrück, dass wir ihnen mit den Büchern grosse Freude gemacht haben.
Gestern, als ich ins Flugzeug stieg, traute ich meinen Augen kaum, einer der Aksitsoehne flog mit seiner Frau und seinen beiden Kindern ebenfalls nach Izmir- ein unglaublicher Zufall! Am Flughafen von Izmir wartete Vater Aksit mit seinem Auto und ich wurde eingeladen, nach Ürmez mitzufahren. Am Inlandsflugenhafen holten sie noch einen anderen Sohn ab und dann ging es zu siebent nach Ürkmez. Meine Bedenken dagegen wurden zerstreut, in der Türkei seien sieben Personen in einen PKW kein Problem. Somit kam ich ohne ein Taxi oder einen Dolmusch benützen zu müssen nach Ürkmez.
Jetzt habe ich Hunger und gehe in mein Restaurant am Strand, wo ich in die untergehende Sonne schauen werde.
1. Juni 2010
9:50, sitze wieder im Internetkaffee in Ürkmez. Gestern besichtigte ich die Sehenswürdigkeiten von Selçuk. Es gibt dort ein kleines, aber feines Ephesos-Museum. Prunkstücke sind zwei sehr gut erhaltene Statuen der vielbrüstigen, ephesischen Artemis, beide sind behaengt mit den Hoden geopferter Stiere. Vom grossen Artemistempel, der als eines der sieben Weltwunder der Antike galt, ist nicht mehr viel zu sehen, ……….nur eine hohe Saeule zeugt von verschwundner Pracht, auch diese schon geborsten, kann stürzen über Nacht. Der Rest ist undurchdringliches Gestrüpp. Anschliessend kam ich zur Isa Bay Moschee, die um 1375 n. Ch. erbaut wurde.
Durch einen schoenen Vorhof, umragt von maechtigen Mauern, erreichte ich den Eingang der Moschee, deren Inneres sehr schlicht gehalten ist. Auffallend sind die maechtigen Saeulen, welche die beiden Kuppeln tragen, sie stammen aus den Hafenthermen von Ephesos. Anschliessend stieg ich hinauf zum Zitadellenhügel, auf dem die Reste der Johanneskirche zu sehen sind, die von Kaiser Justinian im 6. Jhdt. über dem angeblichen Grab des Evangelisten Johannes erbaut wurde. Viele schoene Saeulen und Eingangstore sind zu sehen. Die sehr geschniegelt wieder aufgebauten Teile, an denen man den Beton sieht, passen nicht ins Bild. Das Kastell selbst war wegen Baufaelligkeit nicht zu betreten – schade.
17:45, sitze wieder im Internetkaffee. Heute war ich zum zweiten Male in Klaros. Das Wasserstand im Ausgrabungsbereich war diesmal um einen Meter niedriger und dadurch war das Erlebnis dieser antiken Staette noch beeindruckender als vor vier Wochen. Bei der Rückfahrt wurde im Dolmusch eine Aussentemperatur von 35 Grad angezeigt, dennoch war es recht angenehm, da staendig vom Meer her ein leichter Wind wehte. Am Nachmittag machte ich einen kleinen Schwumm im Meer. Als ich letztes Mal nachhause kam, fragten alle sofort: Na, warst du im Meer, welche Temperatur hat es? Diesmal kann ich antworten: Ja, ich bin geschwommen und das Wasser hatte eine angenehme Temperatur von 21 Grad.
2. Juni 2010
18:10, sitze wieder im Internetkaffee in Ürkmez. Heute besuchte ich die altgriechische Stadt Priene. Mit dem Dolmusch ging es von Ürkmez nach Kusadasi und weiter nach Soeke und Güllübahçe. Bei zweimaligem Umsteigen dauerte die Hinfahrt etwa drei Stunden. Das ist die Grenze dessen, was mit dem Dolmusch von Ürkmez aus zu machen ist. Die Stadt begeisterte mich, man muss sie gesehen haben. Sie liegt auf einem Plateau, etwa 200 Meter über der Schwemmebene des Grossen Meanders, und hinter der Stadt woelbt sich ein hoher Felsberg auf. Im Gegensatz zu Ephesos, das seine Besonderheiten aus roemischer und spaetroemischer Zeit bezieht, sind die meisten Gebaeude und Relikte in Priene aus hellenistischer, vorchristlicher Zeit, ausgenommen die byzantinische Kirche beim Theater.
Auf mich wirkte Priene strenger und monumentaler als Ephesos. Besonders beeindruckend sind der Athenatempel und das quadratische, guterhaltene Bouleuterion (Sitzungsraum des Magistrates). Leider fand ich nicht das Untere Gymnasium, das eine Besonderheit aufweist, dort haben sich die marmorne Waschtroege mit loewenkoepfigen Wasserspeiern erhalten, ausserdem verewigten sich an den Waenden einige hundert Schüler mit Graffitis. Am Nachmittag war es wieder sehr heiss und müde trat ich um 15:00 die Rückfahrt an.
3. Juni 2010
14:55, sitze im Internetkaffee in Ürkmez. Heute machte ich den neuerlichen Versuch, die antike Stadt Teos zu finden, was mir ja vor vier Wochen nicht gelang. Auch diesmal haette ich sie verfehlt. Ich fragte eine deutsche Touristin, die des Weges kam, und diese erklaerte mir, ich müsse dort, wo sich die Strasse gabelt, links gehen und dürfe nicht nach rechts abbiegen, wohin der braune (braun – Kennzeichen für eine Kulturstaette) Pfeil zeigt. Diesem Pfeil folgte ich beim letzten Besuch und landete dann an einem schoenen Strand mit Strandbars. Ich ging also links eine kurvige Strasse hinunter und erreichte die antike Stadt. Bemerkenswerte Denkmaeler sind der Dionysostempel und das kürzlich ausgegrabene Odeon.
Vom Theater ist wenıg erhalten, die Sitzbaenke sind nicht mehr zu sehen, nur Teile der oberen, überwoelbten Galerie stehen noch. Die Stadt muss sehr gross gewesen sein, da Hafen, Theater, Odeon und Dionysostempel jeweils einige hundert Meter voneinander entfernt liegen. Im ehemaligen Stadtgebiet haben die Bauern ihre Felder, die von Steinwaellen umgeben sind. Das dürften alles Bausteine der antiken Haeuser sein, die beim Ackern herausgerissen und am Rande der Felder deponiert wurden.
19:40, soeben habe ich erfahren, dass sich mein siebenjaehriger, spanischer Enkel Hugo beim Fussballspielen ein Bein gebrochen hat, einen Gips traegt und auf Krücken geht. Mir geht es zurzeit besser, ich geniesse, es trotz meiner 73 Jahre drei, vier Stunden am Tag herumwandern zu koennen, ohne dabei irgendwelche Beschweren zu haben.
5. Juni 2010
5. Juni 20104: 15,10, sitze in Uschis Wohnung in Wien. Gestern unternahm ich nicht mehr viel. Die Familie Aksit stellte mir erstmals einen PC zur Verfügung und so konnte ich den Bericht in der Homepage mit Fotos ergänzen, den Abend verbrachte ich in der Laube vor dem Institut, Pläne schmiedend mit Vater Tevfik bei einem Glas Raki. Dazu servierte er nach türkischer Traditionn herrliche Wassermelonenstücke und weißen Käse. Heute stand um 4:00 morgens ein Taxi vor der Türe des Institutes, das mich zum Flughafen von Izmir brachte. Tevfik und Hakan hatten es sich nicht nehmen lassen, um diese frühe Zeit aufzustehen, um mich zu verabschieden – danke!
Ich danke der gesamten Familie Aksit für die gute Aufnahme und die herzliche Gastfreundschaft und ich hoffe auf eine Wiedersehen in Ürkmez oder auch in Steyr.